Vertragsrecht aktuell: Facebook muss Erben Zugriff auf das Konto der toten Tochter gewähren

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Der Bundesgerichtshof  hat durch Urteil vom 12.07.2018, Az.: II ZR 183/17 entschieden, dass Facebook den Erben Zugang zum Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter gewähren muss.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Mutter eines im Alter von 15 Jahren verstorbenen Mädchens und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft des Nachlasses ihrer Tochter. Sie verstarb unter bisher ungeklärten Umständen bei einem U-Bahnunfall. Die Verstorbene hatte sich 2011 im Alter von 14 Jahren mit Zustimmung ihrer Eltern bei Facebook registrieren lassen und unterhielt dort ein Benutzerkonto. Die Klägerin versuchte, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war nicht möglich, weil Facebook das Konto in den Gedenkzustand versetzt hatte. Damit war ein Zugang mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich. Die Klägerin verlangte von Facebook den Zugang. Sie wollte über den Facebook-Account abklären, ob die Tochter Selbstmord begangen hatte. Dies war unter anderem deswegen von Bedeutung, weil der am Unglück beteiligte U-Bahnfahrer gegen die Erben wegen des Unglücks Schadensersatzansprüche geltend machte.

 

Das Urteil:

Der BGH hat entschieden, dass Facebook verpflichtet ist, den Erben Zugang zum Benutzerkonto zu gewähren. Er hat ein anderslautendes OLG-Urteil aufgehoben. Der Nutzungsvertrag, den die Tochter mit Facebook abgeschlossen hat, ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Eltern als Erben übergegangen. Dessen Vererblichkeit ist vertraglich nicht ausgeschlossen. Die Klauseln von Facebook zum Gedenkzustand sind nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden und im Übrigen unwirksam. Ein Vertrag mit höchstpersönlicher Natur liegt nicht vor. Der höchstpersönliche Charakter folgt nicht aus dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Kommunikationspartner des verstorbenen Mädchens. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und keine Dritten vom Kontoinhalt Kenntnis erlangen besteht nicht, weil zu Lebzeiten mit einem Missbrauch oder Zugang durch Dritte gerechnet werden muss. Eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten scheidet aus, weil auch analoge Dokumente wie Briefe und Tagebücher nach dem Willen des Gesetzgebers vererbt werden können. Ein postmortales Persönlichkeitsrecht besteht nicht. Das Fernmeldegeheimnis steht dem Anspruch nicht entgegen. Der Anspruch kollidiert auch nicht mit der Datenschutzgrundverordnung von Mai 2018, da diese nur Lebende schützt und die Bereitstellung und Überarbeitung von Nachrichten und sonstigen Inhalten personenbezogener Daten von Kommunikationspartnern zulässig ist.

 

Fazit:

Der BGH hat eine Grundsatzentscheidung gefällt, die zu begrüßen ist. Er stellt klar, dass der digitale Nachlass bei einem Erbfall genauso wie der analoge zu behandeln ist. Eine Differenzierung zwischen Briefen, Tagebüchern und einem Facebook-Account ist nicht geboten.