Rechtsanwaltskanzlei Oliver John

Ihr Anwalt für ...

Archiv für Februar, 2019

Vertragsrecht aktuell: VW Abgasskandal: BGH sieht Abschalteinrichtung als Mangel an

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Der BGH hat in einem Hinweisbeschluss die vorläufige Rechtsauffassung vertreten, dass ein Fahrzeug, welches bei Übergabe mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehen ist, die den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, mangelhaft sein dürfte.

 

Der Sachverhalt:

Der Kläger erwarb von der beklagten KFZ-Händlerin im Frühjahr 2015 einen Neuwagen VW Tiguan 2.0. TDI für 31500 €. Das Fahrzeug ist mit einer Software ausgerüstet, die den Stickstoffausstoß auf dem Prüfstand gegenüber der normalen Fahrt reduziert. Deswegen verlangte der Kläger ohne Erfolg die Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeuges und hilfsweise die Nachbesserung des Fahrzeuges. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Klage bis auf die geltend gemachte Nachbesserung ab. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Ziel in Form  der Neulieferung des Fahrzeuges weiter. Nach einem Hinweisbeschluss des BGH hat der Kläger die Revision zurückgenommen, da er sich mit der Beklagten geeinigt hat.

Der Hinweis:

Der BGH hat in einem Hinweisbeschluss folgendes erklärt: Ein Fahrzeug, dass mit einer unzulässigen Software ausgestattet ist, die erkennt, ob es sich in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet und dabei den Ausstoß an Stickstoffoxiden verringert, ist mangelhaft. Es besteht nämlich die Gefahr der Betriebsuntersagung für die Zulassung im öffentlichen Verkehr. Das Gericht hält weiterhin die Verpflichtung zur Ersatzlieferung für möglich. Zwar weicht das in diesem Falle zu liefernde Nachfolgemodell in Größe, Motorisierung vom PKW des Klägers ab. Dies steht einem Anspruch auf Ersatzlieferung nicht zwingend entgegen. Maßgeblich ist die vom Verkäufer vertraglich übernommene Beschaffungspflicht.

Fazit:

Die Vorgehensweise des BGH ist äußerst ungewöhnlich, da eigens per Presseerklärung ein Hinweisbeschluss erörtert wird. In einem solchen Beschluss äußert ein Gericht „nur“ eine vorläufige, nicht unbedingt endgültige Rechtsauffassung. Allerdings hat dies VW bewogen, sich mit dem Kläger zu einigen. Zumindest für Fahrzeuge, die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sind, dürfte die Rechtslage zu Gunsten der Käufer geklärt sein, obwohl VW das umgehend abgestritten hat. Käufer können sogar unter Umständen auf die Lieferung eines Neufahrzeuges hoffen. Ein solcher Anspruch bestand bislang nicht, wenn das Neufahrzeug nur noch als optisch und technisch verändertes verändert Nachfolgemodell lieferbar war. Offen hingegen ist noch die Rechtslage bei Fahrzeugen, die ein Softwareupdate erhalten haben. Die Rechtsanwaltskanzlei Oliver John berät und vertritt sie in dieser Problematik gern.

Arbeitsrecht aktuell: Verfall von Urlaubsansprüchen/Pflichten des Arbeitgebers

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Das Bundesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 19.02.2019, Az.: 9 AZR 541/15 entschieden, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Jahresurlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraumes erlischt, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt und der Arbeitnehmer aus freien Stücken den Urlaub nicht genommen hat.

Der Sachverhalt:

Der Kläger war bei der Beklagten als Wissenschaftler beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte er vergeblich die Vergütung in Höhe von 11979,26 € für 51 nicht genommene Urlaubstage aus den Jahren 2012 und 2013. Einen Antrag auf Gewährung des Urlaubs hatte er nicht gestellt. Die Vordergerichte gaben der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass der Urlaub jeweils zum Jahresende verfallen war. Sie sprachen dem Kläger aber einen Schadenersatz zu, weil der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zur Urlaubsgewährung nicht nachgekommen sei. Das Bundesarbeitsgericht sah dies anders, hob das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an das LAG zurück.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat in Weiterentwicklung der Vorgabeentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2018 dem Arbeitgeber Verpflichtungen auferlegt. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer dazu auffordern, seinen Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitig darauf  hinweisen, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraumes erlischt. Das Landesarbeitsgericht wird nun klären müssen, ob der Arbeitgeber seine Informationspflichten erfüllt hat.

Fazit:

Das Urteil hat weitreichende Folgen. Arbeitnehmer können verfallen geglaubte Urlaubsansprüche nun nachfordern, soweit die Ansprüche nicht verjährt oder aufgrund tariflicher oder vertraglicher Klauseln verfallen sind. Arbeitgeber laufen Gefahr, nicht genommenen Resturlaub vergüten zu müssen. Die Rechtsanwaltskanzlei John berät Sie bei dieser Problematik gern.

 

 

Arbeitsrecht aktuell: kein Widerruf von Aufhebungsverträgen/Gebot des fairen Verfahrens

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Das Bundesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 07.02.2019, Az.: 6 AZR 75/18 entschieden, dass eine Arbeitnehmerin einen Aufhebungsvertrag, der in ihrer Privatwohnung geschlossen wurde nicht widerrufen kann. Ein Aufhebungsvertrag kann aber unwirksam sein, wenn bei dessen Abschluss das Gebot des fairen Verhandelns missachtet wurde.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin war bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Sie schloss in ihrer Wohnung mit dem Lebensgefährten der Beklagten einen Aufhebungsvertrag. Der Vertrag beinhaltete eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Zahlung einer Abfindung. Die Klägerin behauptet, sie sei an diesem Tag krank gewesen. Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen sind zwischen den Parteien umstritten. Die Arbeitnehmerin hat den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten und hilfsweise widerrufen.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil aufgehoben und an das Gericht zur erneuten Entscheidung zurück verwiesen. Die Klägerin  konnte den Aufhebungsvertrag nicht erfolgreich anfechten und auch nicht widerrufen. Für den Widerruf gibt es keine gesetzliche Grundlage. Ein Arbeitnehmer ist zwar Verbraucher. Aber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers sind Aufhebungsverträge von dem Anwendungsbereich der Vorschriften nach der Verbraucherverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wurden widerrufen werden können ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall wurde aber nicht geprüft, ob das Gebot des fairen Verfahrens beachtet wurde. Dieses Gebot ist eine vertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erheblich erschwert. Dies ist dann der Fall, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Arbeitnehmerin bewusst ausgenutzt wurde.

 

Fazit:

Arbeitnehmer sind bei Vertragsverhandlungen über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses der schwächere Partner. Die Verletzung der Grundsätze des fairen Verfahrens bei Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag bewirkt den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmern ist generell davon abzuraten, einen Aufhebungsvertrag ohne vorherige anwaltliche Prüfung zu unterschreiben. Arbeitgeber sollten zu Beweiszwecken Inhalt und Anlass der Verhandlung beweissicher dokumentieren. Die Rechtsanwaltskanzlei Oliver John berät und vertritt sie bei dieser Problematik gern.