Rechtsanwaltskanzlei Oliver John

Ihr Anwalt für ...

Archiv für August, 2018

Arbeitsrecht aktuell: Bundesarbeitsgericht: Offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz – Verwertungsverbot älterer Aufnahmen

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Das Bundesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 23.08.2018, Az.: 2 AZR 133/18 entschieden, dass der Arbeitgeber Bildsequenzen aus einer rechtmäßigen offenen Videoüberwachung, die eine Straftat eines Arbeitnehmers zu seinen Lasten dokumentieren, auch dann als Beweismittel in einem Gerichtsprozess verwenden kann, wenn sie erst Monate nach der Aufnahme verwertet werden. Es  besteht kein Beweisverwertungsverbot.

 

Der Sachverhalt:

Die Klägerin war bei dem Beklagten in einem Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Der Arbeitgeber hatte dort eine offene Videoüberwachung installiert, mit der er sein Eigentum vor Straftaten von Kunden und Arbeitnehmern schützen wollte. Im 3. Quartal 2016 fiel dem Arbeitgeber ein Fehlbestand bei Tabakwaren auf. Im August 2016 wertete er die Aufnahmen aus und stellte dabei fest, dass die klagende Verkäuferin an 2 Tagen im Februar 2016 Einnahmen nicht in die Registrierkasse gelegt hatte. Er kündigte daher fristlos. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der von der Klägerin eingereichten Kündigungsschutzklage statt. Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, dass der Arbeitgeber die Videoaufnahmen unverzüglich hätte löschen müssen. Daher bestehe ein Verwertungsverbot.

 

Das Urteil:

Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung an das Vordergericht zurückverwiesen. Unter der Voraussetzung, dass eine zulässige offene Videoüberwachung vorgelegen habe, wäre die Verarbeitung und Nutzung der Aufnahmen nach § 32 I,1 Bundesdatenschutzgesetz in der alten Fassung zulässig gewesen und hätte das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht verletzt. Eine sofortige Auswertung des Bildmaterials war nicht erforderlich. Der beklage Arbeitgeber durfte damit so lange warten, bis er hierfür einen berechtigten Anlass sah. Sofern die offene Videoüberwachung rechtmäßig war, verstößt die Verwertung der Aufzeichnungen auch nicht gegen die seit dem 25.05.2018 geltende Datenschutzgrundverordnung.

 

Fazit:

Für Arbeitgeber wird es künftig leichter, Bildsequenzen von offenen Überwachungskameras als Beweismittel für Straftaten von Arbeitnehmern als Beweismittel vor Gericht zu verwenden. Der Arbeitgeber ist nicht zu einer täglichen Kontrolle der Aufnahmen verpflichtet und kann sie auch verwenden, wenn zwischen der Aufnahme und der Verwertung mehrere Monate vergangen sind. Voraussetzung ist allerdings, dass die offene Überwachung zulässig war. Die Rechtsanwaltskanzlei Oliver John berät Sie hierzu gerne.

 

Vertragsrecht aktuell: Musterfeststellungklage kommt zum 01.11.2018 – Ist das die Rettung für Geschädigte im VW-Dieselskandal ?

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Zum 1.11.2018 treten die Regelungen (§§ 606 bis 613 ZPO) der Musterfeststellungsklage in Kraft. Diese Klage soll es Verbrauchern ermöglichen, ihre Rechte gegenüber Unternehmern durchzusetzen. Das Instrument der Musterfeststellungsklage hat der Gesetzgeber angesichts des VW- Abgasskandals in einem außergewöhnlich schnellen Gesetzgebungsverfahren geschaffen. Bedeutet dies die Rettung für Geschädigte des Dieselskandals, deren Ansprüche gegen den Hersteller voraussichtlich am 31.12.2018 verjähren?

 

Was ist eine Musterfeststellungsklage?

Mit ihr können im Gesetz definierte Verbraucherverbände die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer begehren. Dies bedeutet konkret, dass in einem solchen Verfahren eine Rechtsverletzung (wie z.B. Abgasmanipulation durch VW oder eine unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung einer Bank) gerichtlich festgestellt werden kann. Ein geschädigter Verbraucher muss dann zunächst einmal nicht selbst Klage erheben.

 

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Musterfeststellungklage erhoben werden?

Der Verbraucherverband muss die Klage auf der Basis von 10 betroffenen Verbrauchern einreichen. Wenn das Gericht (zuständig ist das Oberlandesgericht am Sitz des beklagten Unternehmens) die Klage als zulässig erachtet, wird dies veröffentlicht. Es wird ein Klageregister beim Bundesamt für Justiz eröffnet. Dort müssen sich innerhalb von 2 Monaten 40 weitere Betroffene melden. Nur in diesem Fall ist eine Musterfeststellungsklage möglich.

 

Wie schließt sich der Verbraucher einer Musterfeststellungsklage an?

Bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins können sich Verbraucher im Klageregister anmelden, wofür gewisse Angaben erforderlich sind.

 

Was bewirkt die Anmeldung im Klageregister?

Mit Anmeldung zum Klageregister verliert der Verbraucher sein Klagerecht, solange die Musterklage rechtshängig ist. Hat er bereits einzeln Klage erhoben, muss das Gericht das Verfahren aussetzen. Durch die Anmeldung wird aber die Verjährung seiner Ansprüche gehemmt, ohne dass er selbst Klage erheben muss. Die Ansprüche gegen VW würden daher nicht am 31.12.2018 verjähren.

 

Trägt der Verbraucher nach Anmeldung das Kostenrisiko?

Nein, definitiv nicht. Das sicherlich hohe Kostenrisiko tragen der klagende Verband und der beklagte Unternehmer.

 

Welche Rechtsfolgen hat ein rechtskräftiges Musterfeststellungsurteil?

Das Urteil des Musterverfahrens ist für alle bindend, die die zu Beginn der mündlichen Verhandlung registriert sind. Es gibt ihnen allerdings nicht automatisch einen Zahlungstitel. Sie müssen noch einmal gesondert Klage einreichen, wobei das Gericht dann aber an das Musterurteil gebunden ist. Falls das Unternehmen in dem Verfahren unterlegen ist, ist zu erwarten, dass es sich mit denjenigen, die sich im Musterfeststellungsverfahren registriert haben eine Einigung herbeiführt.

 

Ist die Musterfeststellungsklage die Rettung für geschädigte Verbraucher des VW Abgasskandals?

Nicht unbedingt. Sicherlich ist die Möglichkeit der Anspruchsdurchsetzung einfacher. Aber die Musterfeststellungsklage ist keine Sammelklage wie in den USA, wo automatisch Geld fließt. Jeder Verbraucher, der sich registrieren lassen hat, muss noch einmal gesondert Klage erheben. Aber Vorsicht ist geboten. Die Anmeldung nützt dem Verbraucher nur dann und hemmt die Verjährung, wenn der Streitgegenstand und Lebenssachverhalt des Verfahrens vergleichbar mit dem eigenen Fall sind. Liegt eine solche Vergleichbarkeit nicht vor, droht die Verjährung. Ob eine Musterfeststellungsklage gegen VW in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt noch erhoben werden kann, bleibt abzuwarten. Die geschädigten Verbraucher sollten daher Maßnahmen ergreifen, die die Verjährung unterbrechen oder hemmen. Insbesondere  diejenigen Fahrzeugbesitzer, denen die Stilllegung des Fahrzeugs angedroht wurde, weil sie das Softwareupdate verweigert haben, sind mehr oder minder zum Handeln gezwungen. Die Rechtsanwaltskanzlei Oliver John berät Sie hierbei gern.