Verkehrsrecht aktuell: Erfolgreicher Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Messgerät ESO ES 3.0

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Das Amtsgericht Dessau-Roßlau hat durch Urteil vom 06.06.2017, Az.: 13 OWi 471/16 einen LKW-Fahrer freigesprochen. Ihm wurde vorgeworfen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften vom 30 km/h um 22 km/h überschritten zu haben. Die festgestellte Geschwindigkeit betrug nach einem Toleranzabzug 52 km/h.

 

Der Sachverhalt:

Gegen den Fahrer, der von Rechtsanwalt John vertreten wurde, verhängte die Zentrale Bußgeldstelle Magdeburg wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung einen Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 130 € und 1 Punkt. Die Geschwindigkeitsmessung wurde mit einem Messgerät ESO ES 3.0 vorgenommen. Dabei handelt es sich um ein mobiles Lichtsensormessgerät. Nach einer Rüge des Verteidigers bezüglich eines korrekten Messvorgangs  beauftragte das Gericht einen Sachverständigen, der mit einem ausführlichen Gutachten die Geschwindigkeitsmessung überprüfte.

 

Das Urteil:

Der von Rechtsanwalt John eingelegte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid war erfolgreich. Das Amtsgericht Dessau-Roßlau hat den LKW-Fahrer freigesprochen, weil die Geschwindigkeitsmessung nicht auswertbar war. Dies beruhte auf dem Umstand, dass eine deutliche Winkelabweichung des Verlaufes der Fotolinie in abfließender Verkehrsrichtung zum Verlauf der Fotolinie vorlag. Zudem waren Lage und Verkehrsrichtung der Fotolinie nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet, wodurch eine nachträglich gesicherte Rekonstruktion des Verlaufs der Fotolinie nicht möglich war.

 

Fazit:

Der mobile Blitzer ESO ES 3.0 misst die Geschwindigkeit nach dem Prinzip der Weg-Zeit-Messung. Er gehört zu den sog. standardisierten Messverfahren. Ein solches liegt vor, wenn Messungen unter Einhaltung der Gebrauchsanweisung des Herstellers erfolgen und das Gerät geeicht ist. Ergeben sich aber konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Messfehlern, muss das Gericht die Messung individuell überprüfen. Und genau das hat das Gericht im vorliegenden Fall nach entsprechendem Beweisantrag des Verteidigers auch getan und den LKW-Fahrer freigesprochen, weil die Messung nicht verwertbar war.

Arbeitsrecht aktuell: Fristlose Kündigung wegen Verharmlosung des Holocaust ohne Abmahnung gerechtfertigt

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Das Arbeitsgericht Hamburg hat durch Urteil vom 18.10.2017, 16 Ca 23/17 die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers bestätigt, der in der Betriebsöffentlichkeit die Gaskammermorde und das Ausmaß der Judentransporte im zweiten Weltkrieg verharmlost hat.

Der Sachverhalt:

Der Kläger war seit 2015 bei der Beklagten als Liegenschaftsbetreuer tätig. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen für Abfallmanagementdienstleistung für die Wohnungswirtschaft mit mehreren Niederlassungen in Deutschland. Im Dezember 2016 wurden in einem Dienstwagen eines Kollegen des Klägers Musik-CDs mit rechtsradikalem Inhalt gefunden. Aus diesem Anlass kam es auf dem Flur des Unternehmens mit Kollegen und Kolleginnen zu einem Gespräch, in dessen Verlauf der Kläger den Holocaust leugnete und verharmloste. Nach für das Gericht glaubhafter Zeugenaussage erklärte der Kläger, die Judentransporte hätten aus Kostengründen nicht in diesem Ausmaß stattfinden können, das mit dem Gas hätte nicht sein können, weil es so explosiv gewesen sei, dass das Lager in Mitleidenschaft gezogen worden wäre; es habe eine zu große Gefahr für die Soldaten bestanden. Der Kläger entschuldigte sich später in einem Schreiben für seine Äußerungen.

 

Das Urteil:

Das Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung als gerechtfertigt angesehen, weil der Kläger in der Öffentlichkeit volksverhetzende und den Betriebsfrieden störende Äußerungen getätigt hat. Eine Abmahnung hielt das Gericht für entbehrlich.

 

Fazit:

Leugnet oder verharmlost ein Arbeitnehmer in einem Gespräch unter Arbeitskollegen im Betrieb, welches keinen vertraulichen Charakter hat, die Gaskammermorde an Juden im zweiten Weltkrieg, so ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht, da für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist, dass der Arbeitgeber auch eine einmalige Äußerung in der Betriebsöffentlichkeit nicht hinnehmen wird.

 

 

Arbeitsrecht aktuell: Heimliche Aufnahme eines Personalgesprächs rechtfertigt fristlose Kündigung

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Der Sachverhalt:

Der Kläger musste an einem Personalgespräch mit Vorgesetzten und Betriebsrat teilnehmen. Ihm wurde vorgeworfen, Kollegen beleidigt und verbal bedroht zu haben. Einige Monate zuvor hatte der Kläger in einer an Vorgesetzte gerichteten E-Mail Kollegen als „Low Performer“ und „laue Mistkäfer“ bezeichnet. Deswegen hatte er eine Abmahnung erhalten.

Einige Monate später erfuhr die Arbeitgeberin durch eine E-Mail des Klägers, dass er das Gespräch ohne ihr Wissen mit seinem Smartphone aufgenommen hatte. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Arbeitnehmer verteidigte sich mit dem Argument, er habe nicht gewusst, dass die Aufnahme verboten sei. Sein Handy habe für alle Gesprächsteilnehmer sichtbar auf dem Schreibtisch gelegen.

 

Das Urteil:

Die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor der nächsten Instanz keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Hessen erklärte durch Urteil vom 23.08.20017, Az.: 6 Sa 137/17 die außerordentliche Kündigung für wirksam. Der Arbeitgeber war berechtigt, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen. Die heimliche Aufnahme des Personalgespräches verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gesprächsteilnehmer nach Art 2 I GG / Art 1 II GG. Nur der Gesprächspartner kann bestimmen, ob der Inhalt eines Gespräches veröffentlich wird. Der seit 25 Jahren beschäftigte Arbeitnehmer hätte die Gesprächsteilnehmer von der Aufzeichnung informieren müssen. Das Arbeitsverhältnis war durch die Beleidigung der Kollegen bereits erheblich beeinträchtigt.

 

Fazit:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein hohes verfassungsrechtliches Gut. Dessen Verletzung kann auch bei langjährig Beschäftigten zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

 

Vertragsrecht aktuell: PayPal Verkäufer kann trotz Käuferschutz Kaufpreiszahlung verlangen

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Der Bundesgerichtshof ist in 2 Urteilen (BGH, Urteile v. 22.11.2017,Az. VIII ZR 83/16; VIII ZR 213/16) dem absoluten Käuferschutz von PayPal entgegentreten.

 

Der Sachverhalt:

Wenn Ware im Rahmen eines PayPal-Kaufes nicht beim Käufer ankommt oder wesentlich von der Artikelbeschreibung abweicht, kann der Käufer das Käuferschutzprogramm in Anspruch nehmen. Nach einem erfolgreichen Antrag auf Rückerstattung bucht PayPal den Kaufpreis vom Konto des Verkäufers auf das des Käufers zurück. Bislang beurteilten die Instanzgerichte unterschiedlich, ob der Verkäufer gegenüber dem Käufer trotz Rückbuchung noch einen Anspruch auf Kaupreiszahlung hat. Im ersten Fall hatte ein Kunde bei ebay ein Mobiltelefon gekauft, aber die Ware nicht erhalten. Nach einem erfolgreichen Antragsverfahren wurde der auf das Konto des Verkäufers gutgeschriebene Kaufpreis wieder zurückgebucht. Die Klage auf Kaufpreiszahlung war erfolgreich. Im zweiten Verfahren entsprach die gelieferte Ware nicht der Beschreibung und war minderwertig. Die Klage des Verkäufers wurde durch die Vorinstanz abgewiesen, weil der Kaufpreisanspruch bereits durch die Gutschrift  erloschen war.

 

Die Urteile:

Nach Auffassung des BGH haben die Vertragsparteien bei der Verwendung des PayPal-Systems stilschweigend vereinbart, dass der Anspruch auf Kaufpreiszahlung wieder neu begründet werden soll, wenn eine Rückbelastung des Kontos des Verkäufers durch PayPal erfolgt. Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung ist somit nicht erloschen. Im Fall des nicht angekommen Mobiltelefons verurteilte der BGH daher den Käufer trotzdem zur Zahlung, weil mit der unstreitig erfolgten Versendung die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer, der allerdings Unternehmer war, überging. Im zweiten Fall muss in einem erneuten Prozess geklärt werden, ob die gelieferte Ware tatsächlich mangelhaft ist.

 

Fazit:

Durch die Entscheidung des BGH ist der vorteilhafte Käuferschutz weggefallen. Der Käufer erhält zwar sein Geld zurück, muss aber befürchten, dass der Verkäufer von ihm wieder die Kaufpreiszahlung fordert.

Arbeitsrecht aktuell: Kündigung wegen fremdenfeindlicher Äußerung in Whats App – Gruppe

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Der Sachverhalt:

Die 4 Kläger sind Mitarbeiter des Ordnungsamt Worms und im Vollzugsdienst tätig. Sie tauschten in einer privaten Whats App – Gruppe auf ihren privaten Smartphones unter Anderem fremdenfeindliche Bilder aus. Die Stadt erfuhr hiervon und sprach jedem eine fristlose Kündigung aus.

 

Das Urteil:

Das Arbeitsgericht Mainz (Urteile vom 15.11.2017, 4 Ca 1240/17,4 Ca 1241/17,4 Ca 1242/17,4 Ca 1243/17) gab den Klagen gegen die fristlose Kündigung statt.  Der Austausch der Bilder erfolgte auf den privaten Smartphones der Arbeitnehmer. Sie konnten und durften darauf vertrauen, dass der Inhalt des Austausches in der Whats App-Gruppe nicht nach außen gelangen wird.

 

Fazit:

Das Arbeitsgericht Mainz begründete seine Auffassung mit einem Rückgriff auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Vertraulichkeit des Wortes(BAG, Urteil vom 10.12.2009,2 AZR 534/08). Danach können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Äußerungen im vertraulichen Gespräch zwischen Arbeitskollegen gefallen sind. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer darauf  vertrauen, dass diese nicht nach außen getragen werden.

Rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen auf Facebook oder in anderen Social Media können hingegen je nach Einzelfall eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung nach sich ziehen.

Baurecht aktuell: Änderungen für Verbraucher ab 1.1.2018

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Ab dem 1.1.2018 ändert sich das Baurecht für Verbraucher grundlegend.

Warum erfolgen die Änderungen?

Die Entscheidung, einen Hausbau oder erhebliche Umbaumaßnahmen durzuführen, bindet den Verbraucher über eine lange Zeit finanziell. Im Vordergrund des Gesetzespaketes steht daher der Schutz des Verbrauchers, der bislang weitestgehend fehlte.

Ab wann und für welche Verträge gelten die Änderungen?

Die Änderungen gelten für Verträge, die ab dem 1.1.2018 abgeschlossen werden. Gemäß § 650 i BGB ist ein Verbrauchervertrag ein Vertrag, durch den ein Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Was erhebliche Umbaumaßnahmen sind, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalles ab.

Welche Änderungen gibt es?

Für den Verbraucherbauvertrag ist die Textform vorgeschrieben. Der Gesetzgeber will hiermit Beweisschwierigkeiten verhindern und Rechtsklarheit schaffen. Der Auftraggeber hat ein Widerrufsrecht. Er kann den Verbraucherbauvertrag binnen 2 Wochen widerrufen. Die Frist für den Widerruf beginnt allerdings nur dann zu laufen, wenn der Unternehmer den Verbraucher über sein Widerrufsrecht in Textform nach Art 249 § 3 EGBGB ordnungsgemäß  belehrt hat. Der Unternehmer ist verpflichtet, vor Abschluss des Bauvertrages dem Auftraggeber eine Baubeschreibung in Textform zur Verfügung zu stellen. Der Bauvertrag  muss verbindliche Angaben zur Fertigstellung oder zur Dauer der Bauarbeiten enthalten. Fehlen diese Angaben, werden in der Baubeschreibung enthaltenen Angaben Inhalt des Vertrages.  Die Höhe der Abschlagszahlungen ist auf 90 % der Gesamtvergütung gedeckelt. Der Unternehmer ist verpflichtet, dem Kunden Unterlagen herauszugeben, die dieser zur Vorlage bei Behörden oder Kreditinstituten braucht.

Fazit

Die Neuerungen tragen dem Schutzbedürfnis des Verbrauchers Rechnung. Mit Ausnahme der Regelungen über Abschlagszahlungen kann zu Lasten des Verbrauchers nicht von ihnen abgewichen werden.

 

Arbeitsrecht aktuell: Bundesarbeitsgericht ändert Rechtsprechung zur Arbeitsverweigerung bei unbilliger Anweisung

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Das Bundesarbeitsgericht hat durch Beschluss vom 14.09.2017, Az.: 5 As 7/17 seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Verbindlichkeit unbilliger Arbeitsanweisungen aufgegeben.

 

Der Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer war seit 2001 in einem Betrieb mit ca. 700 Arbeitnehmern in Dortmund beschäftigt. Nach einer längeren Auseinandersetzung versetze ihn der Arbeitgeber nach Berlin. Für die Versetzung gab es keinen Grund. Sie war offensichtlich unbillig. Der Arbeitnehmer weigerte sich, der Anweisung Folge zu leisten. Er wurde zweimal abgemahnt. Er klagte erfolgreich gegen die Versetzung und die Abmahnungen. Das Arbeitsgericht Dortmund (Urteil vom 08.09.2015, Az.: 7 Ca 1124/15) und das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 17.03.2016, Az.: 17 Sa 1660/15) gaben dem Kläger Recht. Der für den Fall zuständige 10.Senat des Bundesarbeitsgerichts wollte die Urteile bestätigen. Der 5. Senat hatte bisher hingegen angenommen, dass  der Arbeitnehmer auch an eine unbillige Arbeitsanweisung (sofern sie nicht bereits aus anderen Gründen unwirksam sei) so lange gebunden sei, bis durch ein rechtskräftiges Urteil die Unverbindlichkeit der Anweisung festgestellt worden sei. Im Mai 2015 erhielt der Arbeitnehmer die fristlose Kündigung. Über die Kündigung ist noch nicht abschließend entschieden worden.

Im Wege eines Anfragebeschlusses fragte der 10. Senat beim 5. Senat an, ob er an seiner Auffassung festhalte.

 

Die Entscheidung

Der 5. Senat hat seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass Arbeitsanweisungen, die die Interessen des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigen und deswegen unbillig sind, nicht befolgt werden müssen.

 

Fazit

Bislang musste ein Arbeitnehmer grundsätzlich eine unbillige Anweisung seines Arbeitgebers bis zu deren endgültiger gerichtlichen Klärung hinnehmen. Im konkreten Fall wäre der Arbeitnehmer verpflichtet gewesen,von Dortmund nach Berlin zu gehen und dort so lange zu arbeiten, bis die Arbeitsgerichtsbarkeit rechtkräftig darüber entschieden hätte, ob die Versetzung rechtmäßig war.

 

 

 

Europäischer Gerichtshof : Urteil zur Überwachung privater Chats am Arbeitsplatz

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Der EMGR hat am 05.09.2017, Az.: 61496/08 entschieden, dass Unternehmen die Internetaktivitäten ihrer Arbeitnehmer nur überwachen dürfen, wenn dies verhältnismäßig ist. Für die Überwachung hat das Gericht Vorgaben erstellt, die auch deutsche Gerichte zu beachten haben.

 

Der Sachverhalt

Im Jahr 2007 kündigte eine rumänische Firma einem Mitarbeiter wegen privater Nutzung des Yahoo-Messenger Accounts während der Arbeitszeit. Dieser war eingerichtet worden, um Kundenanfragen zu bearbeiten. Dessen private Nutzung hatte das Unternehmen verboten. Der Arbeitnehmer verstieß gegen das Verbot. Der Arbeitgeber überwachte den Messenger, legte 45 Seiten der privaten Chats mit teilweise intimen Inhalt vor und kündigte das Arbeitsverhältnis. Die rumänischen Gerichte sahen die Kündigung als zulässig an. Der Arbeitnehmer legte Beschwerde beim EMGR ein. Dieser schloss sich der Auffassung der rumänischen Gerichte an. Der Arbeitnehmer beantragt die Verweisung an die große Kammer.

 

Das Urteil

Die Große Kammer stellte eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens und der Korrespondenz (Art 8 EMRK) fest. Sie beanstandete, dass die rumänischen Gerichte nicht geprüft hätten, ob der Kläger über die Kontrolle und deren Ausmaß vorher informiert worden sei. Die Richter warfen den Gerichten vor, nicht geklärt zu haben, ob ein Grund für die Kontrolle vorlag und mildere Überwachungsmaßnahmen möglich gewesen seien. Ebenso hätten die Gerichte bei der Verhältnismäßigkeit überprüfen müssen, ob mildere Sanktionen als eine Kündigung ausreichend gewesen wären.

 

Fazit:

Das höchste europäische Gericht hat zwar den Staat Rumänien verurteilt. Aber auch die hiesigen Gerichte müssen die im Verfahren festgelegten Vorgaben beachten, da Deutschland ansonsten ebenso eine Verurteilung droht.

Grundsätzlich ist eine Überwachung der Aktivitäten im Internet am Arbeitsplatz nicht verboten. Sie ist aber von jetzt an nur im Rahmen der vom EGMR vorgegebenen Kriterien möglich. In deutschen Betrieben herrscht häufig in Ermanglung entsprechender Regelungen eine Grauzone über die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Nutzung des Internets für private Zwecke erlaubt ist. Die Betriebe sind daher gut beraten, transparente Regelungen zu erstellen. Hat das Unternehmen einen Betriebsrat, so steht diesem hierbei ein Mitbestimmungsrecht zu.

Das Bundesarbeitsgericht war jüngst mit diesem Thema befasst. Es hat den Einsatz von Keyloggern, die ohne Wissen der Beschäftigten die Tastatureingaben aufzeichnen und regelmäßig Screenshots (Bildschirmaufnahmen) aufnehmen verboten.

 

 

Arbeitsrecht aktuell: unzulässige Arbeitnehmerüberwachung durch „Keylogger“

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Der Sachverhalt:

Der Kläger war bei der Beklagten als Web-Entwickler beschäftigt. Im April 2015 unterrichtete die Beklagte ihre Arbeitnehmer darüber, dass der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung der Systeme „mitgeloggt“ werde. Zu diesem Zweck installierte die Klägerin auf dem dienstlichen PC des Klägers einen Keylogger, mit dem alle Tastatureingaben aufgezeichnet und regelmäßige Screenshots (Bildschirmfotos) gefertigt wurden. Die Arbeitgeberin wertete die Daten des Klägers aus. Bei einem Gespräch gab der Kläger zu, seinen Dienst PC während der Arbeit genutzt zu haben. Aber vornehmlich in den Pausen habe er ein Computerspiel programmiert und geschäftliche E-Mails für die Firma seines Vaters geschrieben. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich.

Die Vorinstanzen erklärten die Kündigungen für unwirksam.

 

Das Urteil:

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht und bestätigte die Unwirksamkeit der Kündigungen.

Die Beweismittel, die die privaten Aktivitäten des Arbeitnehmers während der Arbeitszeiten dokumentierten, durfte der Arbeitgeber in dem Prozess nicht verwenden. Deren Benutzung verstoßen gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers (Artikel 2 I iVm. Art 1 Abs. 1 GG). Der Einsatz der Software Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben des Klägers für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist nach § 32 Bundesdatenschutzgesetz unzulässig, da kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bestand.Die eingeräumte Privatnutzung des Dienst-PC rechtfertigte die Kündigungen nicht, weil es an einer vorherigen Abmahnung fehlte.

 

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht hat der heimlichen digitalen Überwachung von Arbeitnehmern klare Grenzen gesetzt. Eine heimliche Überwachung ist nur zulässig, wenn ein hinreichend konkreter Verdacht einer Straftat oder einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des betroffenen Arbeitnehmers vorliegt. Damit setzt das Gericht seine Grundsätze fort, die es bereits für heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern, das Mithören von Telefongesprächen und dergleichen aufgestellt hat.

Amtsgericht Dessau: Fernwärme GmbH verliert Rechtsstreit

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Der Sachverhalt:

Die Fernwärme Dessau hatte allen Kunden der Waldsiedlung die Verträge über Wärmelieferung gekündigt und zum 01.07.2014 einen neuen Vertrag mit einem dreigliedrigen Preissystem und einer geänderten Preisänderungsklausel angeboten.

Die Kläger zahlten die erhöhten Entgelte unter Vorbehalt der Rückzahlung und forderten  diese für einen Zeitraum vom 01.07.2014 bis 21.01.2016, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt John aus Dessau, zurück.

Die Fernwärme Dessau erhob Widerklage und begehrte die Feststellung, dass die Kläger verpflichtet seien, die Vergütung nach den Bedingungen des Vertrages vom 01.07.2014 zu leisten.

Das Urteil:

Das Amtsgericht gab den Klägern Recht und verurteilte die Fernwärme Dessau zur Rückzahlung. Gleichzeitig wies es die Widerklage ab.

Die Beklagte konnte nicht beweisen, dass die Preisänderungsklausel den gesetzlichen Erfordernissen des § 24 IV AVB Fernwärme entspricht. Hierzu gehört der Nachweis, dass Bemessungsgröße für den Preis ein Indikator ist, der sich an den Kosten des überwiegend eingesetzten Brennstoffes orientiert. Da die Fernwärme GmbH die Energie nicht selbst produziert, ist sie verpflichtet, den Bezugsvertrag vorzulegen. Für die Kläger hat sie lediglich ein teilweise geschwärztes Vertragsexemplar vorgelegt. Dies ist nicht ausreichend, weil die Beklagte sich nicht auf Geheimhaltungsinteressen berufen kann.

Das Gutachten  der Beklagten zur Preisänderungsklausel ist nicht verwertbar; die angebotenen Zeugenaussagen hielt das Gericht nicht für ergiebig.

Das Urteil Amtsgericht Dessau-Roßlau vom 20.06.2017 Az.: 4 C 658/16 ist noch nicht rechtskräftig.

 

Fazit:

Die Fernwärme GmbH Dessau ist nach dieser Entscheidung nicht berechtigt, auf Basis ihrer aktuellen Preisänderungsklausel abzurechnen. Das Urteil gilt aber nur zugunsten der Kläger, hingegen nicht für die übrigen betroffenen Kunden der Waldsiedlung. Sie müssen ihre Ansprüche gesondert geltend machen. Hierbei ist Eile geboten, weil solche aus dem Jahr 2014 am 31.12.2017 verjähren.

 

Aktuell:

Die Fernwärme GmbH Dessau hat mittlerweile gegen das Urteil des Amtsgericht Dessau-Roßlau Berufung eingelegt