Mietrecht aktuell: BGH fordert bei Eigenbedarfskündigung sorgsame Prüfung der Härtefallklausel

Geschrieben von Oliver John am . Veröffentlicht in Allgemein

Der Bundesgerichtshof sich hat in 2 Urteilen vom 22.05.2019 (BGH VIII ZR 180/18, VII ZR 167/17) mit der Frage befasst, wann ein Mieter nach einer Eigenbedarfskündigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte nach §§ 574 I und II BGB verlangen kann. Es hat den Gerichten auferlegt, nicht schematisch, sondern am Einzelfall orientiert zu entscheiden.

Die Sachverhalte:

In dem ersten Fall geht es um eine 82-jährige Mieterin, die seit 45 Jahren mit ihren beiden über 50 Jahre alten Söhnen eine 73 qm2 große Mietwohnung in Berlin bewohnt. Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und 2 Kleinkindern zur Miete in einer 57 m2 großen Mietwohnung und hat die Wohnung 2015 zur Eigennutzung erworben. Die Mieterin hat der Eigenbedarfskündigung widersprochen. Sie beruft sich auf ihr hohes Alter, ihre Verwurzelung in der Umgebung, die lange Mietdauer sowie unter Vorlage eines Attestes auf eine Demenzerkrankung.

Im zweiten Fall bewohnen die Mieter mit ihrem volljährigen Sohn und dem Bruder der Mieterin seit 2006 eine Doppelhaushälfte in einem Dorf in der Nähe von Halle. Die Kläger kündigten im Jahr 2015. Sie führten an, dass die bisher in Bayern lebende geschiedene Ehefrau des Klägers einziehen möchte, um die ihre in der Nähe lebende betagte Großmutter besser betreuen zu können.

Die Mieter widersprachen der Kündigung, bestreiten den Eigenbedarf und halten diesen wegen Streitigkeiten über Mängel an der Wohnung für vorgeschoben. Sie berufen sich auf Härtegründe. Ein Mieter ist in die Pflegestufe 2 eingruppiert. Er leidet an Schizophrenie, Inkontinenz, Alkoholismus, Demenz und einer Abwehrhaltung bei der Pflege. Er wird von seinem im Haus lebenden Bruder, der sein bestellter Betreuer ist versorgt.

Im Berliner Fall hat das Berufungsgericht die Räumungsklage abgewiesen. Es hat die Eigenbedarfskündigung für wirksam erachtet, aber wegen eines Härtefalls bestimmt, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen ist. In dem zweiten Prozess hat das Gericht der Räumungsklage stattgegeben, einen Eigenbedarf angenommen und ohne Beweisaufnahme trotz Vorliegens eines psychiatrischen Attestes einen Härtegrund verneint.

Die Urteile:

Der BGH hat in beiden Fällen die Urteile aufgehoben und die Fälle zur weiteren Sachaufklärung zum Vorliegen der Härtegründe an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

Er hat darauf hingewiesen, dass bei der bisherigen Rechtsprechung der Instanzgerichte eine Tendenz zu beobachten war, lediglich aufgrund der Bildung allgemeiner Fallgruppen wie Alter, Mietdauer, Verwurzelung im Umfeld und Krankheit einen Härtefall anzunehmen. Dies ist nun nicht mehr möglich. Vielmehr haben die Gerichte zukünftig eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und dürfen nicht mehr schematisch entscheiden.

 

Fazit:

Trägt der Mieter nachvollziehbar Härtegründe in Form von in Form von schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen unter Vorlage eines ärztlichen Attestes vor, so sind die Gerichte zukünftig verpflichtet, ein Sachverständigengutachten einzuholen und zu klären, welche Erkrankungen beim betroffenen Mieter konkret bestehen und wie sich diese auf seine Lebensweise und seine Autonomie auswirken und welche Folgen mit einem Umzug im Einzelnen verbunden sind. Die Gerichte müssen ebenso klären, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug verbundenen Folgen durch Unterstützung durch das Umfeld oder durch begleitende ärztliche und/oder therapeutische Behandlung mindern lassen. Hierzu ist ein sorgfältiger anwaltlicher Vortrag auf  Mieterseite erforderlich.Für Eigentümer haben sich die Erfolgsaussichten bei einer Eigenbedarfskündigung hingegen erhöht. Die Rechtsanwaltskanzlei Oliver John unterstützt Sie bei dieser Problematik gerne.